
In einer am Freitag, dem 31. Oktober, über seine sozialen Medien veröffentlichten Mitteilung kündigte US-Präsident Donald Trump die Wiederaufnahme Nigerias in die Liste der »besonders besorgniserregenden Länder« (»Countries of Particular Concern«) in Fragen der Religionsfreiheit an. Zusätzlich drohte er einen Militäreinsatz zum Schutz der Christen in Nigeria an.
Dabei stützte er sich auf die Zahlen des Weltverfolgungsindex (WVI) 2025 von Open Doors, einer NGO zur Unterstützung verfolgter Christen, (ohne dabei den WVI als Quelle zu nennen):
»Radikale Islamisten sind für dieses Massaker verantwortlich. Wenn Christen oder andere Gruppen massakriert werden, wie es in Nigeria der Fall ist (3100 von weltweit 4476), muss gehandelt werden!«
Jo Newhouse, Sprecherin von Open Doors für Subsahara Afrika, kommentiert: »Die Einordnung Nigerias als ein »Country of Particular Concern« ist ein Schritt in die richtige Richtung. Zu lange schon werden christliche Gemeinschaften gezielt angegriffen, ohne dass dies geahndet wird. Die Drohungen der Trump-Regierung mögen zwar keine sofortige Lösung für die komplexe Situation darstellen, aber sie sind ein Anzeichen dafür, dass die gewaltige Dimension des Problems anerkannt und ernstgenommen wird – und damit auch das enorme Leid der Schwächsten in Teilen Nigerias.«
Die von Donald Trump zitierten Zahlen verdeutlichen den Ernst der Lage: 3.100 der 4.476 Christen, die im vergangenen Jahr weltweit wegen ihres Glaubens getötet wurden, starben in Nigeria. Seit 2014 wurden in Nigeria 35.080 Christen wegen ihres Glaubens getötet. Diese Zahlen wurden von Open Doors ermittelt und dokumentiert, wobei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist. Im sogenannten »Middle Belt« und in den nördlichen Regionen sind Christen anhaltender und gezielter Gewalt in einem solchen Maß ausgesetzt, dass ganze Siedlungen verschwinden. Kirchen werden niedergebrannt. Männer, Frauen und Kinder werden brutal misshandelt, entführt oder getötet. Die Angreifer sind oft schwer bewaffnet.
Doch die Leidtragenden drohen in der aktuellen Debatte in den Hintergrund zu geraten. Richtig ist, dass einfache Antworten oder Schuldzuweisungen der komplexen Situation nicht gerecht werden. In Nigeria herrscht ein Kampf um Weideplätze und Rohstoffe, um Geld und Macht. Islamisch-extremistische Gruppen wie Boko Haram, ISWAP (Islamic State West Africa Province) und bewaffnete Fulani-Milizen führen tödliche Angriffe durch, denen neben Christen auch viele Muslime zum Opfer fallen.
Details hierzu liefern die Zahlen des Observatory of Religious Freedom in Africa (ORFA) von 2024. Darin wird auch deutlich, dass Christen überproportional von religiös motivierter Gewalt betroffen sind und offenbar gezielt angegriffen werden. Laut des ORFA-Berichts wurden zwischen Oktober 2019 und September 2023 in Nigeria 2,7 Mal mehr Christen als Muslime getötet. In diesem Zeitraum wurden 16.769 Christen, 6235 Muslime, 154 Anhänger traditioneller afrikanischer Religionen und 7722 Zivilisten, deren Religionszugehörigkeit nicht bekannt ist, ermordet. Im Verhältnis zur relativen Bevölkerungsgröße ist ein Christ 6,5-mal häufiger von Mord bedroht (was das Leid der Muslime nicht weniger tragisch macht).
Es ist zu beachten, dass Nigeria laut Verfassung ein säkularer Staat ist und dass sich die Situation der Christen zwischen dem Süden, wo sie nicht verfolgt werden, und dem Norden, wo einige Bundesstaaten die Scharia eingeführt haben und extremistische Terroristengruppen ihr Unwesen treiben, unterscheidet.
Islamistische Extremistengruppe nehmen alle ins Visier, die sie als »Ungläubige« betrachtet: Christen, Animisten, moderate Muslime. Aus diesem Grund erwähnt Open Doors in seinen Analysen auch andere religiöse Gruppen, die Opfer von Verfolgung sind, doch ohne Zahlen zu diesen Gruppen zu nennen, da sie weder über die Kapazitäten noch über das Fachwissen dafür verfügen.
Zugleich erklären terroristische Gruppen offen, dass Christen ein Ziel sind, wie beispielsweise Boko Haram in ihrem letzten Video von der Enthauptung von Christen im Oktober 2024.
Viele Aussagen von Augenzeugen verdeutlichen die Bedeutung religiöser Motive bei den Angreifern: »Allahu Akbar«-Rufe während der Überfälle, gezielte Morde an Kirchenleitern und Zerstörungen von Kirchen; der Zwang: Wer sich weigert, Muslim zu werden, wird getötet; die Forderung, Kirchen zu Moscheen umzuwidmen. Hinzu kommt die Häufung von Überfällen an christlichen Festtagen (vgl. die Angriffe zu Weihnachten 2023). Die Reduzierung dieser gezielten und äußerst brutalen Angriffe auf einen »Konflikt zwischen Christen und Muslimen« oder »zwischen Viehhirten und Bauern« ist grob vereinfachend und irreführend.
Es ist höchste Zeit, das Schweigen über das Ausmaß der Gewalt in Nigeria und die Verfolgung von Christen zu brechen. Rhetorische Positionen, die die Komplexität der Situation herunterspielen (»Es handelt sich nur um einen Konflikt zwischen Hirten und Viehzüchtern« oder ebenso »nur Christen sind betroffen«) führen zu Kontroversen, die riskieren, dass das Handeln in den Hintergrund tritt.
Anstelle von Debatten über einen »Genozid« oder Drohungen mit militärischen Interventionen brauchen die Opfer vor allem humanitäre Hilfe, die ihrer Notlage gerecht wird.
Die Gemeinschaft hätte schon längst die Verbrechen von Boko Haram, ISWAP und radikalisierten Fulani-Milizen untersuchen und den Opfern die dringend benötigte Hilfe zum Überleben und Wiederaufbau zukommen lassen müssen.
Der Appell von Open Doors an die internationale Gemeinschaft ist daher nicht eine militärische Intervention, sondern vielmehr:
(vgl. Petition »Gewalt stoppen. Heilung ermöglichen.«)
In diesem Sinne ruft Open Doors zu einer Verstärkung der humanitären Hilfe auf, insbesondere für Menschen, die nach ihrer Flucht vor der Gewalt zu Binnenvertriebenen geworden sind. Gemeinsam mit lokalen kirchlichen Partnern soll Unterstützung dort geleistet werden, wo die christliche Identität ein besonderes Risiko darstellt. Open Doors selbst unterstützt verfolgte Christen in Nigeria durch sozio-ökonomische Entwicklungsprojekte (Bau von Kliniken, Schulen) und Programme zur posttraumatischen Betreuung von Gewaltopfern.
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