Der Weltverfolgungsindex (WVI), der am 17. Jänner 2024 veröffentlicht wurde, listet die 50 Länder auf, in denen es für Christen am gefährlichsten ist, ihren Glauben zu leben und zu bekennen. Christen sind in vielen Ländern großer Feindseligkeit, Hass und der Androhung ihrer Vertreibung oder Vernichtung ausgesetzt. Die Verfolger sind Regierungen, die Kirchen zerstören oder schließen lassen, extremistische Gruppen, die Dörfer und Gottesdienste überfallen und Christen ermorden sowie zusammengerottete Menschenmengen, die mit roher Gewalt Christen vertreiben oder ermorden. Aber auch Clans und Familien verfolgen ihre engsten Angehörigen, wenn sie zum christlichen Glauben konvertieren.
Die zehn Länder des WVI 2024, in denen die meisten Kirchen betroffen waren, sind: China, Indien, Nigeria, Nicaragua, Äthiopien, Ruanda, Sudan, Burkina Faso, Niger und Angola.
In China (Rang 19 auf dem Weltverfolgungsindex) wurden aufgrund alter und neuer Maßnahmen des Regimes mehr als 10.000 Kirchen geschlossen. Dagegen werden in Pakistan (# 7) und Indien (# 11) Angriffe auf Kirchen überwiegend durch gewalttätige Menschenansammlungen verübt. Im indischen Bundesstaat Manipur wurden im Mai 2023 insgesamt etwa 400 Kirchen zerstört. Mehr als 100 Christen wurden dabei ermordet, Zehntausende vertrieben. Die UN äußerte in einer Erklärung ihr Entsetzen über die Gewalt, die vielfach gegen christliche Mädchen und Frauen gerichtet ist. Die Zahl der wegen ihres Glaubens ermordeten Christen in Indien stieg von 17 im Vorjahr auf mindestens 160.
Mehr als 82 Prozent der weltweit wegen ihres Glaubens getöteten Christen lebten in Nigeria (# 6). In Subsahara-Afrika wurden weitaus mehr Morde im Zusammenhang mit dem Glauben verübt als in jeder anderen Region auf dem WVI. Das ist eine Entwicklung, die seit mehreren Jahren zu beobachten ist.
In Äthiopien (# 32) nahm die Zahl der Angriffe auf Kirchen und Schulen dramatisch zu, von 22 im Vorjahr auf 284. In Burkina Faso (# 20) und der Zentralafrikanischen Republik (# 28) stieg die Zahl der verbrannten, geplünderten oder beschlagnahmten Geschäfte in christlichem Besitz sprunghaft an.
Weiteren afrikanischen Ländern auf dem WVI droht eine ähnliche Entwicklung.
Die Zahlen zeigen, dass Kirchen in China (geschätzte 10.000 geschlossene Kirchen) und Indien (2.228 angegriffene Kirchen) am stärksten von Schließung oder Zerstörung bedroht sind. Auf diese beiden Länder entfallen fast 83 Prozent aller Angriffe oder Schließungen von Kirchen in allen Ländern des WVI 2024.
China hat durch eine Reihe alter und neuer autoritärer Maßnahmen Tausende von Kirchen geschlossen. Große, nicht registrierte »Hauskirchen«, die in Hotels oder Bürogebäuden zusammentrafen, wurden gezwungen, sich in eine Vielzahl von weniger sichtbaren Hausgruppen aufzuspalten. Viele Veranstaltungsorte wurden genötigt, auch staatlich anerkannte Kirchen auszusperren. Diese mussten häufig mit größeren Kirchen fusionieren, um der Regierung eine einfachere Kontrolle zu ermöglichen.
Im Gegensatz dazu werden die Angriffe auf Kirchen in Indien von aggressiven Mobs verübt. Nach Angaben des Erzbischofs von Imphal, Dominic Lupon, wurden in den ersten 36 Stunden der Gewalt in Manipur 249 Kirchen zerstört. Dabei handelte es sich ausschließlich um Kirchen der Meitei, die nicht vom Stamm der Kuki (die mehrheitlich Christen sind), sondern von Meitei-Hindus zerstört wurden, die also Christen aus ihrem eigenen Stamm angriffen. Im gesamten Verlauf der Unruhen wurden etwa 400 Kirchen zerstört.
In 18 der 26 Länder des WVI, die südlich der Sahara liegen, wurden mindestens 4.606 Christen wegen ihres Glaubens getötet, mehr als 82 Prozent der weltweit getöteten Christen lebten in Nigeria. 15 dieser 26 Länder erreichten die höchste Stufe in der Bewertung der Gewalttaten gegen Christen.
»Die Bedrohung durch militante Islamisten in Subsahara-Afrika hat sich so verschärft, dass viele Christen in der Region zunehmend Angst haben«, erläutert Frans Veerman, Leiter von World Watch Research, der Forschungsabteilung von Open Doors. »Christen werden gezielt ins Visier genommen oder sind besonders verwundbar auf einem Kontinent, der von dem doppelten Problem radikaler islamischer Elemente und zunehmend autokratischer Regime heimgesucht wird. Das stellt eine ständig wachsende Bedrohung für Christen in Subsahara-Afrika dar. Man muss erwarten, dass dieser doppelte Druck sie überwältigen und sie aus ihren Häusern und Dörfern vertreiben wird, wenn er nicht unter Kontrolle gebracht wird. Mindestens 16,2 Millionen Christen in Subsahara-Afrika wurden bis Ende 2022 gewaltsam vertrieben, davon über hunderttausend als direkte Reaktion auf religiöse Verfolgung.«
Veerman appelliert an die Regierungen der betroffenen Länder: »Die Regierungen in der Region müssen geeignete Maßnahmen ergreifen, um dem wachsenden Einfluss dschihadistischer Gruppen entgegenzuwirken, und dem Schutz der Bevölkerung vor Angreifern Priorität einräumen. Ohne diese Maßnahmen werden die einst blühenden christlichen Gemeinschaften verschwinden.«
Radikale islamische Gruppen, die instabile politische Verhältnisse ausnutzen, sind auf dem gesamten afrikanischen Kontinent verbreitet. Die Umbrüche in der Regierungsführung und Sicherheit haben den dschihadistischen Aktivitäten Tür und Tor geöffnet, wie sie beispielsweise in Burkina Faso, Mali (# 14), Mosambik (# 39), Nigeria und Somalia (# 2) zu beobachten sind.
Die kommunistischen Diktaturen in Lateinamerika stehen der Kirche zunehmend feindlich gegenüber. In Nicaragua zeigt sich das besonders deutlich, das Land ist auf dem WVI 2024 um 20 Plätze gestiegen. Die Regierung Ortega unterdrückt die Religionsfreiheit immer offener. Universitäten und anderen Einrichtungen, die mit der Kirche verbunden sind, wird die Zulassung entzogen. In christlichem Besitz befindliche Immobilien und Medien werden beschlagnahmt. Kritiker dieser Restriktionen durch die Regierung, sowohl kirchliche als auch weltliche, werden verhaftet, ebenso wie ihre Verteidiger. So wurde im Februar 2023 dem katholischen Bischof von Matagalpa, Rolando Álvarez, als einem offenen Verfechter der bürgerlichen Freiheiten die Staatsbürgerschaft entzogen und er wurde zu 26 Jahren Gefängnis verurteilt.
Nordkorea steht erneut auf Platz eins des Weltverfolgungsindex, wie schon seit 1992, mit Ausnahme von 2022, als Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban den WVI anführte. Christen sind gezwungen, ihren Glauben in völliger Geheimhaltung zu praktizieren. Berichte über Razzien gelangen nur selten in die internationalen Medien, aber ein Beispiel wurde im April 2023 bekannt, als sich fünf Christen in einem abgelegenen Bauernhaus im Zentrum Nordkoreas zum Gebet versammelten, nur um festzustellen, dass die Polizei von einem Informanten benachrichtigt worden war und auf sie wartete. Den fünf verhafteten Christen drohen nun Jahre der Zwangsarbeit unter menschenunwürdigen Bedingungen.
In Nordkorea gibt es etwa 200.000 politische und religiöse Gefangene, die in mehreren über das ganze Land verteilten Lagern festgehalten werden. Schätzungsweise 50.000 bis 70.000 von ihnen sind Christen, die nur aufgrund ihres Glaubens inhaftiert sind.
In den 50 Ländern des Weltverfolgungsindex (WVI) sind rund 317 Millionen Christen einem sehr hohen bis extremen Maß an Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt. Betrachtet man außerdem die Länder mit einem hohen Maß an Verfolgung, so sind mehr als 365 Millionen Christen betroffen. Mittels einer Indexpunktzahl werden die Länder den Verfolgungsrubriken »extrem« (81-100 Punkte), »sehr hoch« (61-80 Punkte) und »hoch« (41-60 Punkte) zugeordnet.
Top Ten im WVI 2024 (Rang im WVI 2023 in Klammern)
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